Eine kleine Abhandlung über den Beginn eines neuen Hobbies, und eine humoristische Betrachtung der Sache mit dem Lehrgeld…

Immer wieder lese ich in diversen Foren oder Gruppen von den ersten Rührversuchen frisch gebackener Selbstrührerinnen. Einige sind erheiternd, einige abenteuerlich und einige schier riskant!
Wie geht das im Regelfall vor sich? Warum fängt Frau an, ihre Kosmetik selbst herstellen zu wollen und begibt sich dabei mitunter auf dermatologisches Glatteis? Und wie schafft es ein frisch geschlüpftes „Rührküken“ im Dschungel aus Rezepten und Anleitungen im Netz den optimalen Einstieg zu finden und so etwas wie einen roten (naja, eher blass-rosa) Faden zu erkennen?

Nun, die Beweggründe sind verschieden. Die meisten SelbstrührerInnen wollen einfach selber entscheiden können, was sie ihrer Haut zumuten. Bei Kaufkosmetik ist es nämlich gar nicht so einfach, die Spreu vom Weizen zu trennen und Inhaltsstoffe zu identifizieren. Andere haben schlicht Spaß am „Selbermachen“ und wieder andere meinen, sie könnten Geld sparen (haha…).
Soweit, so ambitioniert! Und wo fängt Frau nun an? Genau. Wir googeln einfach mal „Kosmetik Rezepte“, „DIY Kosmetik“ oder ähnliche Schlagworte, und siehe da…. ein ganzes Universum an bunt gestalteten Blogs und mehr oder minder seriösen Websites tut sich auf, Rezepte die einen ob ihrer stylischen Aufmachung und kinderleichten Herstellung nur allzu leicht dazu verführen, von der Badebombe über die Zahnpasta bis zum hochwirksamen Hyaluronserum alles selbst produzieren zu wollen! Ui. Damit hat das Küken nicht gerechnet… Ist ja alles gar nicht so schwer, steht ja alles im Netz und die Bestelladressen für die exotischen Stöffchen gibt es immer gleich mit dazu geliefert. Also nix wie ran an die Warenkörbe, was es in Shop A nicht gibt wird eben bei Shop B bestellt, und bei Shop C sind gerade die ganzen Rührutensilien wie Bechergläser, Messlöffel und Indikatorpapier im Angebot. Kostet zwar dann jedes mal ordentlich Porto und Versand, aber das muss Frau halt in Kauf nehmen. Unterm Strich werden dann für ein paar Badepralinen, eine einfache Handcreme und einen Lippenbalsam mal schnell 250 Euro investiert.
DHL freut sich über die vielen Aufträge und liefert einige Tage später die bestellten Waren ins Haus, für die Frau bereits vorausschauend zwei Küchenschränke freigeräumt und eine Ikea-Kommonde angeschafft hat. Jetzt kann’s endlich losgehen! Wo waren nochmal die ausgewählten Rezepte? Ach ja, im Netz! Das Drama in acht Teilen nimmt seinen Lauf….

Wir beginnen mit der leichtesten Übung… Badepralinen!
So wie sich das liest, schmilzt man etwas Kakaobutter, mischt Natron mit Zitronensäure und gibt noch etwas Tensid dazu, damit dann in der Wanne auch alles schön schäumt und sprudelt. In einem der Blogs waren die Dinger sogar bunt, mit Lebensmittelfarbe gefärbt, stand da dabei. Prima, die haben wir noch von der letzten Kindergeburtstagstorte im Schrank, ist so ein Flüssigzeugs, das man einfach in die Badepralinenmasse rein kippt bis das gewünschte Farbergebnis erreicht ist. Ist ja unbedenklich und so… Wegen der Farbe (und NUR wegen der Farbe) hat Frau sich mal besser ein paar Gummihandschuhe übergestreift, um die Masse zu verkneten und in hübsche Herzchenformen zu füllen. Aber… was ist das denn? Warum fängt das Zeug an wie wild zu schäumen und heiß zu werden? Davon stand nix in der Anleitung, also fragen wir schnell Dr. Facebook! Kosmetikgruppen gibt’s genug, irgendeiner wird des Rätsels Lösung schon kennen! Man schreibt also kurz sein auserwähltes Rezept in den Beitrag und schildert das Dilemma. Irgendeiner fragt, ob die Farbe flüssig war… ja klar, Lebensmittelfarbe ist doch flüssig?! Dies könne die Erklärung für die plötzliche Schaumflut in der Küche sein, aber heiß solle es eigentlich nicht werden. Was denn genau auf der Verpackung vom Natron steht, will der nächste Kommentator wissen. NaOH steht da, das ist doch Natron oder nicht?! Immer mehr Gruppenmitglieder schalten sich ein, es wird geraten Feuerwehr und Krankenwagen zu alarmieren, alles mit Essig (!!!) zu neutralisieren und die Kinder sowie Haustiere aus dem Haus zu schaffen. Küken ist völlig von der Rolle, wie das denn sein könne, man habe doch nur unbedenkliche Naturstoffe verwendet?! Oh Schreck. Das hat gesessen.
Ein paar Tage später ist der Schock einigermaßen verdaut und man versucht es jetzt mit einer Emulsion, schließlich läuft man dabei nicht Gefahr aus Versehen hoch ätzende Rohstoffe zu verwenden. Natürlich sind bei der kürzlichen Bestellhysterie auch gleich ein paar nette Öle und ein Emulgator namens Tegomuls mitgeshoppt worden, davon hat Frau nämlich ganz viel auf einer Website gelesen, das soll ganz einfach zu verarbeiten sein und außerdem war er billig. Dass es für eine Emulsion eine Fett- und eine Wasserphase braucht, hat eine der Bloggerinnen netterweise erläutert, kann ja jetzt nix mehr schief gehen. Und da unser Küken so natürlich wie möglich bleiben will, verzichtet sie selbstverständlich auf ein Konservierungsmittel, die sind ja von Haus aus pööööööse und in den ganzen Blogrezepten wird davon auch nicht gesprochen. Also immer ran an die Pötte! Da die olle Küchenwaage aber wenig Feingefühl besitzt, und unter 10 Gramm irgendwie gar nicht erst anpringt, wird eben gleich mal ne größere Menge Creme gerührt. So 200 Gramm, das lässt sich nett verarbeiten. Als Rührgerät muss der Milchaufschäumer herhalten, der somit nun auch endlich eine Daseinsberechtiung erhalten hat. Das Ganze ist eine idiotensichere Angelegenheit, und ein paar Umdrehungen später hält Küken die erste selbst gemachte Emulsion in Händen, bestehend aus luxuriösen Ölen und Tee als Wasserphase. Kann ja nicht schaden, ein paar pflanzliche Wirkstoffe auf diese Weise einzubringen. Der große Moment ist gekommen, das feine Gemisch soll jetzt endlich seiner Bestimmung zugeführt werden und wird großzügig auf dem gesamten Körper verteilt…. Hm. Naja. Luxus fühlt sich irgendwie anders an (Kein Wunder, bei einem Margarine-Emulgator)… Abgesehen von dem gewöhnungsbedürftigen Geruch ist das ein ziemlicher Glitsch, der sich mehr oder weniger unwillig auf der Haut verteilen will. Seltsam. Aber für den Anfang wollen wir uns auf die Vorteile konzentrieren, die da wären 1. Handgemacht, 2. Voll natürlich, 3. da ist ein halber Liter Arganöl drin, das macht sicher über Nacht 10 Jahre jünger. Frau sieht also großzügig über die etwas suboptimale Haptik hinweg und ist stolz auf ihr Werk! Weil es ja gar so ein Wundermittel sein muss, wird natürlich die ganze Familie zwangsgecremt, was ein Glück dass gleich eine so große Menge produziert wurde. Eine Woche später klagt Töchterchen plötzlich über Ausschlag, hatte sie früher nie! Ob da ein Zusammenhang zu der neuen Natur-pur-Pflege besteht? Nicht möglich! Schließlich hat man da nur gute Sachen drin, so chemisches Zeugs wie Konservierer hat man ja von vornherein nicht eingekauft. Und der Tee war auch Bio…
Also ist erneut die Expertenelite auf Facebook gefragt! Zack, Rezept gepostet und Bildchen eingestellt. Einige Stunden und 150 Kommentare später hat unsere DIY-Mutti tatsächlich ein paar brauchbare Hinweise erhalten. Sie versteht zwar immer noch nicht, warum der Tee eine schlechte Idee gewesen sein soll und warum der Verdacht der Verkeimung naheliegt, wo doch kein Schimmel und nix auf der Creme zu erkennen ist… Und man hat sich ja auch genau ans Rezept gehalten, das war ganz praktisch weil da die Mengenangaben bei den Wirkstoffen mit dem Messlöffel abzumessen waren, was angesichts der mauligen Küchenwaage sehr gelegen kam. Und die Website von der das Rezept stammt, war auch hübsch gemacht. Da waren auch noch etwa 100 weitere Rezepte, die Autorin muss also schon Ahnung haben….
Egal. Jetzt hat das Töchterchen überall Pusteln und es muss irgendwas mildes her, womit man das wieder weg schmieren kann. Versuchen wir also mal ein Rezept von einer anderen Bloggerin, da gab es eins extra für gereizte Haut….
Die Zutaten müssen natürlich erst wieder bestellt werden, und diesmal bestellen wir auch gleich das richtige Natron mit, damit wir auch endlich ein Bildchen von hübschen Badepralinen posten können. Ach ja… und pulverförmige Pigmente.
Inzwischen beläuft sich die Rechnung für die gesammelten Schätze im Küchenschrank auf knapp 500 Euro. Irgendwer in diesen Facebookgruppen hat ihr ein Buch ans Herz gelegt, um erst mal einen Einblick ins neue Hobby zu erhalten, aber das wären ja nochmal 30 Tacken und dafür bekommt man schon einige vielversprechende Wirkstoffe! Und learning by doing war außerdem schon immer eher ihr Ding…